In Hamburg gibt es seit über 300 Jahren die Tradition des Turmblasens. Ursprünglich wurde damit – zu einer Zeit, als noch nicht jede:r eine Uhr besaß – die Öffnung und Schließung der Stadttore angezeigt. Diese Tradition wird am Turm der St. Michaelis-Kirche (liebevoll Michel genannt) bis heute fortgeführt.
Täglich öffnet sich unterhalb der großen Turmuhr ein kleines Fenster, der Schalltrichter einer Trompete erscheint und es ertönt ein Choral, der in alle Himmelsrichtungen über die Stadt entsendet wird.
Seit dem Frühjahr 2025 wird die Tradition des Turmblasens mit Neele Fokken erstmals von einer Frau weitergeführt. Sie teilt sich diese Aufgabe mit Josef Thöne, der dieses Amt schon seit über 30 Jahren innehat. Neele durfte ich mit der Kamera bei ihrer Arbeit begleiten.
Es ist kurz vor 10 Uhr. Obwohl es im Michel-Turm einen Fahrstuhl gibt, steigt Neele meist zu Fuß die 279 Stufen hoch auf den 7. Boden des Michel-Turms, den sogenannten Türmerboden. Dort wird das Lied für den heutigen Tag ausgesucht, das Gesangbuch ans Fenster gestellt und es folgt eine kurze Konzentrations- und Einspielphase.
Vom Türmerboden hat man einen herrlichen Blick über die Stadt.
Heute wird " Du höchstes Licht, Du ewger Schein" gespielt.
Dann schlägt die Turmuhr 10 mal, Neele öffnet das Ostfenster und beginnt mit ihrem Spiel. Nach und nach wechselt sie im Uhrzeigersinn die Fenster, so das der Klang der Trompete in jede Himmelsrichtung getragen wird. Jeden Tag ertönt ein anderer Choral, hauptsächlich evangelische Kirchenlieder, abgestimmt auf das Kirchenjahr.
Hören kann man die Michel-Türmerin oder den Michel-Türmer täglich, werktags um 10 Uhr und um 21 Uhr, sonn- und feiertags einzig um 12 Uhr. Einfach vorbeikommen, kurz innehalten und genießen.
Auch sonst ist die St. Michaelis-Kirche unbedingt einen Besuch wert; die Türen stehen täglich ab 9 Uhr offen.
Danke Neele.
Herzlichen Dank an die Mitarbeiterinnen der St. Michaelis-Kirche für diesen spannenden Blick hinter die Kulissen und besonders an Neele für ihre Geduld und ihr Vertrauen.